HörbuchMittelalterStrafrecht

Tatort Mittelalter

tatortSchnellgericht zu Giebichenstein im Palas des Erzbischofs zu Magdeburg. Vorsitzender Richter: Isidorus de Arévalo. Beisitzer: Erzbischof Adalgot zu Magdeburg, Wilhelm von Nogaret sowie Markgraf Albrecht der Bär als Träger der örtlichen Gerichtsbarkeit, denn die Hauptanklagten sind in Berlin im Brandenburgischen zu Hause.

Vorsitzender: Ich bitte die Angeklagten vorzuführen.

Es werden die Hauptangeklagten Malte Heidemann und Franziska Schäfer zuerst vorgeführt. Sie betreiben eine sogenannte Textbaustelle in Berlin und scheinen Serientäter zu sein, höchst verdächtige Gestalten also! Die Angeklagten Jule Vollmer und Thomas Krause scheinen dagegen kleine Lichter zu sein. Sie wurden von den Hauptangeklagten als sogenannte Sprecher missbraucht. Als Haupttäter gilt auch Olaf Hemker, der anscheinend der Hintermann des gesamten Verbrechens ist. Er  hat Regie geführt, was auch immer das zu bedeuten hat. Die Richter betrachten ihn deswegen als Anstifter. Mit den Angeklagten kommt auch der Anwalt herein, ein Herr Eike von Repgow aus Sachsen. Er stellt noch vor Verlesen der Anklagepunkt einen Befangenheitsantrag gegen den Herrn
Wilhelm von Nogaret, „da er in einem der Teile des „Tatort Mittelalters nicht nur erwähnt wird, sondern auch eine tragende Hauptrolle spielt“. Zudem hat er sich bereits im Vorfeld in der Presse dahingehend geäußert, „er ließe sich keinen Justizmord unterschieben“. Das Gericht berät sich kurz, dann wird dem Antrag des Herrn von Repkow stattgegeben. Es geht weiter mit einer Erklärung des Herrn Markgrafen Albrecht. Er erklärt, dass er alleinig für die Aburteilung der Angeklagten zuständig sei, die Gerichtsbarkeit wegen der Schwere des Falles aber an das Giebichensteiner Schnellgericht überträgt. Damit sind hoffentlich die Formalitäten erledigt und die Anklage kann vorgelesen werden.

Vorsitzender: Es wird den Angeklagten vorgeworfen, ein Hörbuch mit dem Titel „Tatort Mittelalter“ erstellt, besprochen und in den Umlauf gebracht zu haben. Ein gleichnamiges Buch ist heute nicht Gegenstand der Anklage. Darin sollen berühmte mittelalterliche Kriminalfälle präsentiert sein inkl. einer Erklärung des mittelalterlichen Strafrechtes. Trifft dies zu?

Der Vorsitzende wendet sich an die Angeklagten, diese stimmen zu, bevor ihr Verteidiger einschreiten kann, der ruft nur noch aus: „Ist dies verboten?“. Das provoziert den Erzbischof, der grummelt: „Dieses Machwerk hätte zumindest der Kirche vorgelegt werden müssen.“ Nogaret, der inzwischen im Zuschauerraum stehen muss, ruft  herüber: „Verbrennt sie!“ Von Repkow fährt herum und brüllt zurück  ins Volk: „Ketzerkinder, haben hier gar nichts zu melden!“ Der Vorsitzende bleibt ganz unbeeindruckt, sondern fährt fort:

Ruhe, ihr Herren! Herr von Repkow und Herr Norgaret, ich bitte um Beherrschung, sonst lasse ich Sie aus dem Saal führen. Damit die Schwere der Schuld bewusst wird, möchte ich für die Beisitzer und dem Volk die Verbrechen kurz im Detail schildern. Ist der Herr Advokat von Repkow damit einverstanden?“

„Ich bitte darum.“

„Also gut. Die Angeklagten beginnen mit einer recht brauchbaren Einführung in das Rechtsdenken des Mittelalters. All die Vorurteile über Mord und Totschlag entkräften sie, es wird dargestellt, dass eine klare Rechtsauffassung im Mittelalter, also keinesfalls ein rechtsfreier Raum. Diese Auffassung wird als entlastend betrachtet, allerdings tun die Angeklagten so, als wäre unser Rechtswesen irgendwie zurückgeblieben, despotisch und barbarisch. Wir wären nicht modern! Das habe ich sehr übel vermerkt. Das wird sich strafverschärfend auswirken. Die Einführung über das Rechtsdenken wird hernach an mehreren Beispielen im Detail ausgeführt, des kommen vor: Der Fall des Philosophen Abaelard, das Verfahren gegen Heinrich von Bayern und Sachsen, der Prozess gegen die Templer, gegen den Piraten Klaus Störtebeker, gegen den Münzmeister von Thann und gegen die Jungfrau von Orleans. Das sind alles sehr bekannte Fälle, aber unter der Rechtsauffassung des Mittelalters begriffen, wir wollen das nicht negativ sehen. Auch mag das breite Publikum diese Fälle nicht so kennen wie wir Experten, die wir uns mit der Materie länger beschäftigen.“

Erzbischof Adalgot wendet ein: „Doch möchte ich anmerken,  mir fällt auf, das alle diese Fälle im Hochmittelalter und Spätmittelalter vorgefallen sind. Kein einziger Fall aus dem Frühmittelalter oder dem frühen Hochmittelalter ist dabei. Das vermittelt doch den Eindruck, das waren die rechtlosen Zeiten, unausgesprochen. Oder wollen die Angeklagten etwa damit behaupten, diese Zeiten hätte es nie gegeben?“

Der Advokat mischt sich ein: „Eine Unterstellung. Derartiges wurde nie von uns gesagt oder behauptet.“ „Der Eindruck bleibt“, beharrt der Erzbischof von Magdeburg, „Ich beantrage deswegen Strafverschärfung.“

„Tot durch Verbrennen!“, ruft Nogaret und wird danach unsanft aus dem Saal geführt.

„Ich wäre froh, wenn wir jetzt zu einem Urteil kommen könnten“, brummt Albrecht der Bär, „Wir sind hier ein Schnellgericht und kein Philosophenkreis. Sie sind eindeutig schuldig und damit ist es gut. Ich habe noch anderes zu tun.“

Der Vorsitzende wendet sich an den Erzbischof: „Schuldig, aber damit sie davon nicht verzagt sind, dürfen die Angeklagten vor Vollstreckung der Strafe bei mir beichten und ihre Sünden bereuen.“

Der Vorsitzende lässt die Angeklagten aufstehen, ignoriert den Advokaten, der sich gerade mit einer Verteidigungsrede mit einem Exkurs besonders über das sächsische Recht in Position bringen wollte, und verkündet das Urteil: „Strafmildernd wurde desweiteren berücksichtigt, dass der Preis des Machwerkes sehr günstig ist, dass sich alle dies leisten könnten.“

„Das würde ich eher als strafverschärfend werten“, unterbricht ihn der Erzbischof.

„Nun gut, werten wir es gar nicht. Herr von Repkow, ich bitte um Beruhigung, sonst lasse ich dich auch herausführen und zu Herrn Nogaret in eine Kammer sperren.

Im Namen des Schnellgerichtes vom Giebichenstein ergeht also folgendes Urteil: Die Angeklagten haben keine Gnade zu erwarten, sondern werden im Gegenteil dazu verurteilt, eingekerkert und in Ketten weitere Werke zur Gerichtsbarkeit und zum Mittelalter zu verfassen, bis der Tod sie erlöst oder der Kaiser sie begnadigt.

Die Angeklagten werden hinausgeführt. Dramatische Szenen spielen sich ab. Wir werden Zeugen von Zusammenbruch und Tränen im Gesicht. Nur Franziska Schäfer bleibt gefasst, so wie wir es schon oft bei Frauen erlebt haben. Das Gericht erhebt sich und verlässt den Saal. Herr von Repkow schaut sich ein letztes Mal das entscheidende Beweisstück an: Tatort Mittelalter, 1 Audio-CD von Heidemann, Malte; Schäfer, Franziska; CD
Berühmte Kriminalfälle aus dem Mittelalter. 70 Min.. Gesprochen von Krause, Thomas . 57g In Mappe , in deutscher Sprache.
2013 Wissenschaftliche Buchgesellschaft Auditorium Maximum ISBN 3-654-60377-7, 12,90 Euro

Euer Gerichtsberichterstatter

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