Infos für Interessierte

Was ist Lebendige Geschichte?

Lebendige Geschichte „nennt man die Darstellung historischer Lebenswelten durch Personen, deren Kleidung, Ausrüstung und Gebrauchsgegenstände in Material und Stil möglichst realistisch der dargestellten Epoche entsprechen. Die Darstellung kann im privaten Rahmen oder bei öffentlichen Veranstaltungen stattfinden.“ (Wikipedia Stand:März 2010) Das ist die Theorie, aber wie sieht die Praxis aus?

  1. Schritt: Die Recherche. Und damit meine ich nicht die Internetrecherche. Es ist wichtig,  zunächst zu schauen, welche Bücher und Abb. es zu einem Thema geben könnte. Dafür ist das Internet ein interessantes Hilfsmittel, aber es kann niemals die alleinige Arbeitsgrundlage sein. Dazu sind die Informationen dort, höflich gesagt, zu dünn.
    Der historische Überblick ist wichtig. Buchmalerei, Skulpturen, Malerei aus der betr. Zeit geben einen ersten Eindruck.  Vorhandene Artefakte (z.B. archäologische Funde) können Fragen, die dadurch auftreten, beantworten oder neue Fragen aufwerfen.  Im Internet kann man sich mit Gleichgesinnten darüber austauschen. Schnittmuster und Anleitungen der sogenannten Mittelalterszene kann man sich anschauen, doch ist es möglich, durch die eigene Recherche zu ganz anderen Ergebnissen zu kommen. Zu diesen Ergebnissen sollte man stehen und nicht das machen, was alle anderen auch machen. Es entsteht ein eigenes Bild von dem, was man rekonstruieren möchte.
  2. Schritt: Mit etwas muss man anfangen! Wer sich für historische Spiele interessiert, sollte zuerst an die Rekonstruktion eines historischen Spiels gehen. Wer kochen möchte wie die Römer, sollte versuchen, diesbezüglich nachzukochen. Wer ein großer Held mit dem Schwert werden möchte, dem sei empfohlen, zuerst einige Monate Schwertkampf zu erlernen. Schnell wird man erkennen, nun braucht man für die Arbeiten am Spiel historisches Werkzeug, entsprechende Kleidung und einen Arbeitstisch womöglich. Der Koch braucht ebenso Kleidung, Kochstelle, Koch- und Arbeitsgerät und Kenntnis über historische Zutaten. Handwerkliche Kenntnisse müssen sich mühsam erarbeiten werden, ohne jemals zu einer Meisterschaft gelangen zu können. Immer wieder wird man zum ersten Schritt zurückgehen müssen: Ohne weitere Recherche geht gar nicht. Die erste Rekonstruktion ist fertig: Ein Schachbrett, ein römisches Gericht, das man doch alleine essen muss, oder der erste gewonnene Schwertkampf. Herzlichen Glückwunsch, aber damit hat es erst begonnen.
  3. Schritt: Man wird niemals fertig! Irgendwas ist immer noch nicht perfekt. Irgendetwas ist immer noch verbesserungswürdig. Neue arch. Funde oder Erkenntnisse können auch die Darstellung der historischen Lebenswelt verändern und man muss wieder ersetzen, ergänzen oder verändern. Drum merke: Die perfekte Lebendige Geschichte gibt es nicht und kann es auch gar nicht geben. Zudem ist unser eigenes Ergebnis immer unsere persönliche Interpretation. Das bei sich selbst und anderen zu akzeptieren, auch über zeitweilige Kompromisse einfach nur zu lächeln, verhindert Streit und schlechte Laune. Verbesserungstipps helfen Anfängern mehr als ungeduldige Verdammung. Wer sich andererseits nicht verbessern möchte, dem ist nicht zu helfen, und der macht auch keine lebendige Geschichte! Im Spiegel lacht einem eine ottonische Handwerkerin, ein römischer Koch oder ein salischer Krieger entgegen. Die Ausrüstung, selbstgemacht oder angekauft, wächst, doch die Arbeit eines Geschichtsdarstellers ist niemals zu Ende.
  4. Schritt: Zusammen macht es mehr Spass! Deswegen versuchen wir in der Ottonenzeit dementsprechende Darsteller zu koordinieren und zusammen zu bringen. Verbindungen gibt es aber auch mit „anderen Zeiten“ außerhalb „unserer Zeit“. Ich habe mit Absicht Lebendige Geschichte als Hobby betitelt und nicht als ausgefallenen Zweig der Museumspädagogik oder der historischen Publikumsbespassung. Der in der oben erwähnten Def. angesprochene private Rahmen überwiegt aus diesem Grund bei uns. Das kann von gemeinsamen Näh- und Färbewochenende über ein Treffen im Winter (Winterklausur) bis zum berlin-brandenburgischen Heerbann gehen, einem internen Treffen von über 500 Teilnehmern. Auch eine Wanderung in historischer Kleidung wird privater Natur sein, wenn dies nicht im Auftrag einer Zeitung oder eines Fernsehsenders geschieht. Interne Treffen haben zudem durch das Fehlen von Besuchern ihren ganz eigenen Reiz, es sind nur historische Darsteller anwesend, man wähnt sich (fast) in der betreffenden Zeit. Man hat neue Freunde gewonnen und wird mit guten Tipps versorgt, aber das eigene Urteil bleibt am Wichtigsten.
  5. Schritt: Jetzt wagen wir uns in die Öffentlichkeit! Wenn die Kleidung, Ausrüstung und „Lagerei“ so einigermaßen beisammen und in euren Augen vorzeigbar ist, wird sich in die Öffentlichkeit gewagt. Z.B. die öffentlichen Museumsbelebungen in einem Freilichtmueum oder auf einer Burg könnten ein guter Start sein. Auf internen Treffen wurde bereits etwas Selbstbewusstsein getankt, man hat gesehen, die anderen kochen auch nur mit Wasser, so kann man sich nun trauen, sich selber vorzuzeigen.  Nicht jeder ist ein geübter Rhetoriker oder geschickter Vermittler, so ist es am Besten mit den Leuten in ein gemütliches Gespräch zu kommen. Große Veranstaltungen, auf denen das Publikum eine „Sensation“ erwartet, sind für diese Gespräche eher schlechter geeignet als kleine Veranstaltungen. Einzeltouristen im Museum sind geduldiger als ein „ausgeschütteter Bus“. Aber freut Euch schon auf Eure eigenen Erfahrung. Auf internen Treffen oder z.B. auf der Lütjenburg habt ihr Freunde getroffen, die schöne öffentliche Veranstaltungen kennen. Fragt einfach, ob ihr euch anschließen dürft. Bewunderung von Frau, Mann und Kind kommt gut, aber gegen viele Klischees und Vorurteile anzureden, kann ermüden.
  6. Schritt: Jetzt wird engagiert ! Freunde, Veranstalter, Museen und sogar (manchmal) das Fernsehen fragen an. Das kann schön sein, aber Hobby muss Hobby bleiben. Besser einmal mehr „Nein“ sagen, als einmal zu wenig. Es soll ja auch noch Raum bleiben für private Treffen und die Arbeit an den Rekonstruktionen. Vielleicht helfen die Regeln, die man bei einem Engagement beachten sollte: a) der Veranstalter sollte genau wissen, was er will. Mittelalterklischees wie Ritter, Gaukler, Firlefanz sollte er bei dementsprechenden Firmen anfordern. b) auch für eine billige Kinderbespassung sind wir nicht da oder können eine Museumspädagogik ersetzen (höchstens ergänzen), c) wir wollen immer eine schriftliche Zusicherung oder einen Belebungsvertrag haben, d) Da allgemein die Meinung herrscht, was umsonst ist, taugt auch nichts, müssen bei einem Engagement zumindest Fahrtkosten gedeckt sein und wer uns in der Woche haben möchte, sollte Verdienstausfall unserer üblichen Arbeit einplanen. e) Bei einem Lager sollte vom Veranstalter immer Wasser, Toiletten, Holz und Stroh bereit gestellt werden. Dementsprechende Genehmigungen sind vom Veranstalter einzuholen. Achtet besonders auf Brandschutz. Die Anschaffung eines Feuerlöschers sollte überlegt werden. Wenn diese Dinge von vornherein klar sind, kann eigentlich nichts mehr schief gehen. Lasst Euch engagieren, aber überfordert euch nicht. Denn es gibt auch noch ein Leben außerhalb des Hobbies. Anders gesprochen: Das Hobby kann nicht das reale Leben ersetzen, sondern positiv ergänzen, einen Ausgleich schaffen.

Zu einer besonderen ottonischen Ausrüstung wird noch an anderer Stelle etwas erscheinen.  Vereinsnachrichten erhalten unsere derzeitigen Mitglieder, aber auch Freunde, wenn es gemeinsame Angelegenheiten betrifft, als E-Mail. Wir tauschen uns auch ständig im Ottonenforum aus. Fragen beantworten wir gerne, es reicht, wenn Sie uns kontaktieren. Die wird auf jeden Fall beantwortet.

logo010g.jpg   Ihr Lebendige Geschichte e.V.

Schreibe einen Kommentar