Judentum

Jüdisches Leben in Halle (Rezension)

Es sollte der letzte Beitrag im Jahr 2021 werden, nun wird es der erste Beitrag im neuen Jahr 2022: Drei unterschiedliche kleine Medienangebote sollen vorgestellt werden, die sich mit dem Jubiläum von 1700 Jahren jüdischen Leben auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands, hier im Besonderen das Jüdische Leben in Halle (Saale), beschäftigen. Alle drei Projekte sind direkt von der Stadt Halle oder mit Hilfe der Stadt Halle herausgebracht worden, möchte ich zu Beginn lobend erwähnen. Es handelt sich um eine Karte (1), eine Broschüre (2) und ein Handy-App-Angebot (3).

1000 Jahre Jüdisches Halle

Jüdisches Leben in Halle gibt es vermutlich, seit die Franken an die Saale kamen und aus einem ostfränkischen Reich allmählich eine Vorform unseres heutigen Deutschland wurde. Dabei entwickelte sich die Stadt an der Saale langsam aus mehreren Siedlungen zu einer ummauerten mittelalterlichen Stadt. Gesichert existiert eine jüdische Gemeinde seit dem 11. Jhd. in Halle, belegt durch Datierung des jüdischen Friedhofs außerhalb der Mauern auf dem heutigen Jägerplatz. Schriftlich belegt ist die jüdische Gemeinde erst über 100 Jahre später im Jahr 1184 in einer Urkunde des Erzbischofs Wichmann. Kurz und knapp möchte ich behaupten: Es lebten Juden bereits in Halle, bevor der Ort eine Stadt und deutsch war. Natürlich kommt keine der unten aufgeführten Veröffentlichungen um den 9. Oktober 2019 herum, dem Attentat, das aufzeigte, wie gefährdet auch heute noch jüdisches Leben in Halle ist. „Für Antisemitismus ist kein Platz“, schreibt Bürgermeister Geier in der unter (2) aufgeführten Broschüre. Leider ist dies nur seine persönliche Hoffnung.

(1) Von Kaufhäusern, Synagogen und „guten Orten“:

Die Karte zu „jüdischer Geschichte und Gegenwart in Halle (Saale)“ bietet einen guten (analogen) Überblick zu dem, was von dem einst blühenden jüdischen Leben in Mittelalter und vor dem zweiten Weltkrieg noch zu besichtigen ist. Leider sind einige Stationen nicht öffentlich oder nur schwierig zugänglich, was ich sehr bedauerlich finde. Ärgerlich ist zudem, dass einige Stationen (hier zum Beispiel die Infos zum mittelalterlichen Jüdischen Friedhof) nicht auf der Höhe des archäologischen Forschungsstandes sind (In Halle gibt es das arch. Landesamt mit einer sehr offensiven Publikationstätigkeit). Trotz dieser Einschränkungen bietet die Karte einen sehr informativen Spaziergang zu den leider sehr wenigen jüdischen Orten in Halle, 12 Stationen nur, die von fast 1000 Jahren jüdischer Geschichte in der Saalestadt übrig geblieben sind. Vielleicht kann sich die Stadt Halle auch endlich dazu entschließen, den Jerusalemer Platz mit der Gedenkstätte autofrei zu gestalten, damit Parkplatzsucher nicht laut und dröhnend nahezu jede Gedenk- oder Kulturveranstaltung dort störend begleiten. Wäre einmal eine echte Geste des Respekt!

(2) Hallethema 2021 : Jüdisches Leben in Halle:

Ausführlichere Informationen bietet als die Karte bietet die Broschüre mit oben aufgeführten Namen. Leider ebenso mit den Einschränkungen, was die arch. Forschung betrifft (siehe oben Karte). Außer einem historischen Überblick bringt die Broschüre aber ingesamt sehr interessante Beiträge z.B. über eine „Jüdische Saline im 10. Jahrhundert“ oder eine „Mittelalterliche Thorarolle in der Marienbibliothek“. Neben der Geschichte der jüd. Friedhöfe, der Geschichte der Synagogen in Halle, der Geschichte jüdischer Vereine kommen auch zwei Portraits von jüdischen Frauen in der Broschüre vor: Einmal geht es um die fast vergessene Bildhauerin Grete Budde und über die bekanntere Künstlerin Marguerite Friedlaender-Wildenhain. Das schönste Kompliment kann man als Leser machen, indem man schreibt, vieles dazu gelernt zu haben. Das ging mir an einigen Stellen so. Mein Hit neben den Künsterinnen bleibt aber der Artikel über die „Mittelalterliche Thorarolle“. Wer sich über das jüdische Leben gestern und heute in der Saalestadt informieren möchte, ist hier (fast) aktuell und gut informiert.

(3) Die Actionbound-Tour : Jüdisches Halle gestern @ heute

Bietet die Karte unter (1) eine Möglichkeit das Jüdische Halle auf einem Spaziergang kennenzulernen, so eröffnet unsere letzte Vorstellung dies mit einem Smartphone und mit multimedialen Komponenten zu tun. Dazu braucht es allerdings die (kostenlose) Actionbound-App und das Einscannen des Start-QR-Codes. Mit 3,5 km und einer Zeit von 2-3 Stunden liegt die Tour im Rahmen eines gemütlichen Vormittags- oder Nachmittagsspaziergang. Und auch hier wieder das Lob: Bei der #Actionbound -Stadtour durchs jüdische #HalleSaale konnte ich vieles dazulernen. Z.B. die Geschichte über den sefardischen Studenten aus HH, der eine hiesige Jüdin gegen den Willen seines Vaters heiratete. Ein mir unbekannter Ort war auch der Gedenkstein für die Synagoge am Rande des Jerusalemer Platz hinter dem Hausdurchgang. Unbedingt hinschauen! Das digitale Angebot ist auch wesentlich besser als die analoge Karte bereits als Spaziergang entworfen, wirkt, was nicht nur durch das Medium entsteht, wesentlich lebendiger und durchdachter. Auch Schulklassen sollten dies, ggf. in kleinen Gruppen, unbedingt nutzen.

Weitere Hinweise hier: https://de.actionbound.com/bound/juedischesLebeninHalle

Ein gutes und gesundes Jahr 2022 mit viel Geschichte und Archäologie wünscht der Lebendige Geschichte e.V.

Schreibe einen Kommentar