Ahnentafel und Stammbaum
Endlich wieder ein Blogbeitrag bei uns. Dabei fand der entsprechende Einführungsvortrag dazu bereits am 15. Oktober statt. Inzwischen sind alle Museen wieder geschlossen, während in Leipzig Coronaleugner und Rechtsradikale ohne Masken und dichtgedrängt mit Zustimmung der Polizei demonstrieren dürfen. Das ist unverständlich und ein Schlag ins Gesicht für alle, die im Kultur- und Museumsbereich gute Hygienekonzepte erarbeitet haben.
Wie gut deswegen, dass die mit einem Vortrag durch Dr. Jürgen Luh eingeleitete Kabinettausstellung in der historischen Kulissenbibliothek der Franckeschen Stiftungen bereits in einer online-Fassung geplant worden ist, die Sie hier finden können.
Dr. Luh, Stiftung Preussische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, führte in die Ausstellung, die nun leider den ganzen November nicht besucht werden kann, mit interessanten Ausführungen zur Genealogie ein, womit auch sonst? Die Veranstaltung war gut besucht, durch die Größe des Freylinghausensaals saßen alle Zuhörer sehr weit auseinander. Viele behielten trotzdem ihre Masken auf. Die Jacken anzubehalten war auch eine gute Idee, denn der Saal war vorher ordentlich durchgelüftet worden. Alle Sicherheitsmaßnahmen, auf die die sächsische Polizei in Leipzig nicht geachtet hat, wurden hier gefüllt. Vorbildlich.
Genealogische Texte und Grafiken, die die Herkunft der adligen Familie und ihr Alter beurkundeten, explodierten in der Anzahl zwischen den Jahren 1500 bis 1800 und sind deswegen auch in großer Anzahl in der historischen Bibliothek der Franckeschen Stifungen vorhanden, aus denen sich die Ausstellung „Ahnentafel und Stammbaum. Historisch-genealogische Werke in den Beständen der Franckeschen Stiftungen“ speist. Zu diesen Dokumenten wie Dr. Luh ausführte, gehörten Stammverzeichnis und Stammtafeln (nicht Stammbaum), Ahnentafeln, Ahnengalerien, Geschlechts- und Geschichtsbücher, Lebensbeschreibungen, Leichenpredigten, Münzkabinette mit für das Geschlecht wichtigen Prägungen (z.T. bis 20 000 Münzen) und Wappen. Die Funktion dieser genealogischen Texte, Grafiken und Gegenstände war das Alter eines Geschlechts nachzuweisen. Dazu stellten bezahlte Gelehrte das Alter der adligen Familie fest. Grundsätzlich galt: Je älter das Geschlecht, je höher das Ansehen und der Vorrang.
Funfakt am Rande: Wenn ein heutiger nordrhein-westfälischen CDU-Ministerpräsident mit Namen Armin Laschet meint von Karl dem Großen abzustammen, wirkt es lächerlich und ist tatsächlich ein müdes Echo von einstigen Anstrengungen des Adels, sich möglichst alte und klangvolle Ahnen herbei zu phantasieren.
So erklärte Dr. Luh in einem Einführungsvortrag weiter, dass z.B. Kaiser Maximilian die Herkunft der Habsburger nicht nur auf die Merowinger zurückführte, sondern als ältester Ahnherr wurde Priamos von Troja angegegeben. Später sah auch der Adel ein, dass phantasierte Vorfahren eher unglaubwürdig wirkten, und im Zeiten von beginnender Wissenschaft und Aufklärung erfolgte ein Verzicht auf frühe Vorfahren und die ältesten Ahnen lokalisierte der Hochadel nun in 7. – 8. Jahrhundert. Während aber hochadlige Geschlechter immer mehr die Genealogie versachlichten, Vorfahren, die sich nicht mehr beweisen ließen, fallenließen, oder ganz darauf verzichteten, konnten kleine Geschlechte sich noch lange nicht von den Ahnentafeln und ähnlichen Nachweisen verabsschieden. Dr. Luh führte auf, dass für die Aufnahme in einem Domkapitel oder einen Ritterorden 16. adlige Vorfahren nachzuweisen waren.
Einem Bedeutungsverlust erlebte die Genealogie im 18. Jahrhundert, dafür wurde sie aber verstärkt Hilfsmittel in den historischen Wissenschaften. Für die Bedeutung des Adels hatten die Ahnen bald keine große Bedeutung mehr, die Rangbestimmung zwischen Fürsten, Grafen und Herren verlor immer mehr an Kraft. Adlige Fraulein wie Elisabeth von Plessen gingen im 20. Jahrhundert soweit, mit ihrer adligen Herkunft ganz zu brechen, und sich als Schriftstellerin Elisabeth Plessen neu zu erfinden. Im Bürgertum ist die Faszination der alten und glorreichen Herkunft anscheinend ungebrochen wie das Funfaktbeispiel Armin Laschet zeigt.
Weitere Informationen, wie oben bereits erwähnt, in der virtuellen Ausstellung.
Text und Fotos: T. Kreutzfeldt für die Ottonenzeit