ArchaeologieOttonenzeit

Besuch im Ottonianum in Magdeburg

Archäologischer Schnitt

Das am 4.11.2018 eröffnete Museum in den Räumen der ehemaligen Reichsbank zeichnet sich durch eine exponierte Lage direkt gegenüber der Westfront des Doms aus. Der Eintrittspreis ist für ein Dommuseum recht hoch. Andere Museen oder Schatzkammern sind günstiger, obwohl auch dort Geschichte vermittelt und nicht nur Kulturgut ausgestellt wird (Köln 6 €, Aachen und Mainz 5 €, Bamberg 4 €, Trier 3,50 €). Das weckt ebenso wie die Namensgebung schon gewisse Erwartungen.

Multimedial wird geboten, was derzeit üblich ist: Leseflächen, Videos, Hörstationen, optische Inszenierungen. Der Audioguide (3 €) bietet über 20 durchaus informative Beiträge. Ein netter Gag ist die Möglichkeit, sein eigenes Portrait in die Putzritzzeichnung einfügen zu lassen. Diese „einzigartige“ Bischofsdarstellung kann man sich dann auch per E-Mail zuschicken lassen.
Domfelsen, Magdeburg

Gleich zu Beginn erscheint ein Großvideo über die Geschichte des Doms und seiner Stadt bis hinein in die Gegenwart. Das zugehörige Tonmaterial enthält auch einige Takte der DDR-Hymne. Dank Endlosschleife kommt der Besucher immer wieder in den Genuss dieser Klänge.

Für Sehbehinderte ist erfreulich, dass manche Gegenstände (Siegel) unter den Bildtafeln auch als ertastbare Modelle vorliegen. Ärgerlich sind aber die „Guckkästen“ mit den Videos, die über zwei Sehschlitze einsehbar sind. Der obere ist leider für viele Besucher zu hoch und deren untere nur für Kinder geeignet.
Ausstellungsvitrinen im neuen Museum. Foto: Dirk Mahler

Museum (noch) mit Fehlern behaftet

Die Installation zum Domhügel und seiner Besiedlungsgeschichte verspricht auf den ersten Blick eine informative Darstellung. Neben aufgedruckten Tasten ist der jeweilige Zeitraum und eine Beschreibung des betreffenden Objekts angegeben, z.B. „Karolingisches Haus, 8. Jahrhundert“. Die „Tasten“ sind jedoch ohne Funktion. Stattdessen werden die einzelnen Punkte der Reihe nach durch aufleuchtende Markierungen hervorgehoben. Um eine Zuordnung zu den Beschreibungen realisieren zu können, muss der Betrachter die chronologische Abfolge konzentriert beobachten. An anderer Stelle passt die Nummer des Objekts nicht zum Text im Audioguide. Handwerkliche Fehler dieser Art weisen auf einen hohen Zeitdruck vor der Eröffnung hin.
Die letztlich nicht geklärte Frage zum Charakter des archäologisch nachgewiesenen „Nordbaus“ wird ausführlich dargestellt. Die Auffindung von Gräbern im diesem Bereich spricht eher für einen Kirchenbau an dieser Stelle. Hervorgehoben wird die Ausstattung mit antiken Spolien, die zum Teil im Neubau des gotischen Doms wiederverwendet wurden. Für die Ausstellung problematisch ist, dass die Originalbauteile natürlich an ihrem Einbauort verbleiben müssen. Aushilfsweise wird ein antikes Kapitell gezeigt, welches bei der Ausgrabung als Füllmaterial gefunden wurde.
Edithas Überreste im Bleikasten. Foto: Landesamt Halle

Verstörend: Edithas Insekten

An zentraler Stelle widmet sich die Ausstellung Editha und der Wiederentdeckung ihrer Gebeine. Der Bleisarg und Stoffreste sind wohl als einsame Höhepunkte zu bewerten, wenngleich im Dämmerlicht von letzteren kaum etwas zu erkennen ist. Einen verstörend breiten Raum nimmt die Zurschaustellung der Insekten ein, die im Sarg gefunden wurden.

Die Zahl der wirklich bedeutenden und archäologisch wertvollen Ausstellungsstücke ist damit sehr gering, insbesondere was die Zeit der Ottonen angeht. Manche sind noch nicht verfügbar und werden nur als Foto gezeigt. Einzelne plastische Objekte aus dem Dom sind in naturgetreuen Nachbildungen als 3D-Drucke aus der Nähe zu betrachten. Immerhin darf fotografiert werden.

Vor diesem Hintergrund kann der Anspruch eines für die Ottonen zentralen Erinnerungsortes lediglich aus seiner zeithistorischen Bedeutung und der geographischen Lage hergeleitet werden. Keine Frage, für ein Dommuseum ist die Einbeziehung der Geschichte über die Zeit der Ottonen hinaus verpflichtend. Trotzdem kann sich der Besucher durch den Namen „Ottonianum“ in die Irre geführt sehen. Gelungen sind in diesem Zusammenhang immerhin die animierte Veranschaulichung derBaugeschichte des gotischen Doms sowie der archäologische Schnitt vom Gelände des Domplatzes.
Baugeschichte des Doms

Mangel an relevanten Objekten

Insgesamt ist der Lese- und Höraufwand im Verhältnis zum Mangel an relevanten Objekten sehr hoch. Viele Informationen wären auch außerhalb der Ausstellung leicht zugänglich, sei es über Druckschriften oder im Internet.
Der Besucherandrang war zur Mittagszeit gemäßigt und hat am Nachmittag stark zugenommen. Dadurch kam es bei einzelnen Stationen zu Wartezeiten.
Unangenehm überrascht wird der Besucher unter Umständen nach dem Besuch der Ausstellung: wer Lust bekommen hat, den Dom nun mit eigenen Augen zu betrachten, sollte nicht zu viel Zeit im Ottonianum verbracht haben. Ab 16 Uhr steht er nämlich vor der verschlossenen Domtür. Oder er hört gerade noch, wie der Schlüssel im Schloss rasselt, so wie es dem Rezensenten ergangen ist. Falls es dazu einen Hinweis gegeben haben sollte, hat er ihn leider übersehen.
Albuin (Lebendige Geschichte e.V.), Fotos: Dirk Mahler und Landesmuseum für Vorgeschichte, HALLE. zuerst erschienen am 16. November im HalleSpektrum

Schreibe einen Kommentar