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Ein Fingerhut des 10. Jhd.

Fingerhut
Von der findigen catalanischen Hausfrau des 10. Jhd. empfohlen: Der Fingerhut aus Bronze

Darüber habe ich mir bei Näharbeiten lange Gedanken gemacht. Gab es bereits zu früheren Zeiten, speziell in dem von unseren dargestellten 10. und 11. Jhd. dieses wundervolle und fingerschonende Hilfsmittel, genannt Fingerhut? Schauen wir mal schnell in die Quellen, die hier herumliegen: In Müllers „Die Kleidung nach Quellen des frühen Mittelalters“ von 2003 wird nur kurz auf Nähtechniken (hier Haithabu) eingegangen und auf einen Fingerhut schon gar nicht. Schade, aber versuchen wir es in einem anderen Standartwerk.  Das ist die Gelegenheit auch mal in Kanias „Kleidung des Mittelalters“ zu schauen. Während Müller auf textliche und bildliche Quellen das Augenmerk legt, ist Frau Kanias Werk auf bildliche und archäologische Quellen ausgerichtet. Großen Anteil nimmt bei ihr die Rekonstruktion und dabei erwähnt sie auch ihre Materialien und Hilfsmittel von der Nadel bis zur Schneiderkreide. Einen Fingerhut erwähnt sie nicht, anscheinend im Zweifel, ob es diesen im Mittelalter gegeben hat. Nachdem die zwei in Buchform vorhandenen Buchquellen also kein Ergebnis gezeitigt haben und auch das „Lexikon des Mittelalters“ nur den Fingerhut als Pflanze abhandelte, versuche ich die Internetrecherche: Dort gibt es sogar eine ganze Geschichte des Fingerhutes, leider wird das Mittelalter insbesondere unser bevorzugter Zeitrahmen nur unzureichend erwähnt. Dabei verwundert es natürlich nicht, dass bereits die Römer Fingerhüte aus Bronze besaßen. Eine weitere Suche unter den spanischen Suchbegriff „DEDAL DE GUARNICIONERO“ erbrachte nicht nur den Google-Link zu den „Antigüedades medievales“ von 2006 mit einigen brauchbaren Hinweisen zu Fingerhüten ab dem 10. Jhd, sondern auch zu Direktlinks zu spanischen Museen, einen besonders schönen Fingerhut aus Jerez d.l.F. verlinke ich hier … Es zeigt sich, dass besonders im maurischen Spanien die römische Tradition des Fingerhutes aus Bronze nicht nur weitergeführt, sondern weiterentwickelt wurde.

Wir können Frau Kania daher beruhigen. Nicht nur in Hildegards Aussteuer befand ich ein Fingerhut zum Nähen. Auch die städtische Bevölkerung Barcelonas im fränkischen Einflussbereich benutzte den Fingerhut zum Nähen, wie mein (schlechtes) Foto aus dem historischen Museum der Stadt Barcelona (MUHBA, bitte nicht verwechseln mit dem Archäologischen Museum oder dem Historischen Museum Catalunya, auch beide in Barcelona) oben zeigt. Dieser ähnelt sehr stark den maurischen Fingerhüten, wirkt aber etwas grober. Spätestens mit den arabisch-jüdischen Händlern, die ab dem 10 Jhd. auch Mitteleuropa bereisten, sind orientalische Stoffe und arabische-antike Hightech wie Astrolabium und Fingerhut nach Europa gekommen. Das Überbleibsel der catalanischen Hausfrau und Hildegards Aussteuer beweisen es.

Der fleißige Hausmann Isí

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