Im Steinbruch der Zeit
In unserem allwöchentlichen Blogbeitrag gibt es eine kleine Sammlung von drei Themen: Zum Thema Schleuderer bei der Schlacht von Tollensetal würde ich gerne einen Kommentar von Silvio Vass hinzufügen. Im eigentlich gut untersuchten Fundkomplex Himmelsscheibe regen zwei Wissenschaftler aus Frankfurt und München an, diese in die Eisenzeit zu datieren. Was sagt das Landesamt für Archäologie in Halle dazu? Wir bleiben in Halle: Die Franckeschen Stiftungen eröffnen dieses Wochenende eine neue Jahresausstellung mit dem Titel „Im Steinbruch der Zeit. Erdgeschichten und die Anfänge der Geologie“
Schleuderer im Tollensetal, 2. Teil
Nach Lesen von „Tollensetal 1300 v. Chr.: Das älteste Schlachtfeld Europas. 120 schwarz-weiße Abbildungen.“ kam ich zu dem Ergebnis, dass es äußerst unwahrscheinlich wäre, dass diese Waffe in den Kampfhandlungen benutzt worden ist. Unser Vereinsmitglied Silvio Vass hat dazu eine andere Meinung, die wir gerne hier wiedergeben möchten:
„Es gibt einen Keulenfund. Und angeblich einen Schädel, zu dem die selbige Keule passt. Seit meinem Besuch in Edinburgh weiß ich aber, daß eine Keule eine andere Verletzung hinterlässt als eine Schleuder. Um es vereinfacht zu sagen, eine Keule macht nur ein Loch.. Eine Schleuder macht ein Loch und typische Brüche, welche oft um die ganze Kalotte verlaufen. Selbst Streifschüsse tun dies. Oft ist die Trefferverletzung gerade bei Streifschüssen minimal. Der Schädelbruch ist aber oft tödlich. Warum ich nun fest davon ausgehe, warum in der Tolensetalschlacht auch mit einer Schleuder gekämpft wurde: Was zu beobachten ist, ist eine Kombination von Waffen. Pfeile, Speere, schwerter. Reiter. Eine Schleuder hat eine größere Reichweite als Bogen. Es scheint tatsächlich so etwas wie ein Fluchtgefecht vorzulegen. Nur wovon verursacht? Gab es Schleuderer, so konnten sie aus recht großer Distanz Wirkung erzielen und damit eine Fluchtrichtung vorgeben. Hinein in Bogen und Schwerter. Munition in Form von Steinen findet man am Flussufer reichlich. Bei harten Treffern gibt das auch am Stein eine Marke. Ich glaube nicht, das man diese Steine erkennen würde. Hat man wohl auch in Hedeby nicht. Man hat sich nur gewundert, daß auffällig viele walnussgroße Steine im Fundgut waren. Auffällig viele. Man entsorgte diese leider.„
Unser Mitglied Herr Vass weiter: „Der Schädel mit dem Loch ist nach meiner bescheidenen Meinung ein klassischer Schleuderschuss. Der Stein kam etwa aus 30 bis 40m und war ein overhand-Schuss. Der Stein machte das Loch. Es gibt am Loch einen Bruch der quasi den Schädel knackt. Das Loch seitlich hinten ist ein berstbruch vom Gehirn welches durch den Aufschlag vorn von innen gegen denn Schädel schlug. Selbst Streifschüsse verursachen diese typisch langen Bruchlinien. Nur woher kommen Waffendaten für eine Computerberechnung? Bei dieser Verletzung wurde gesagt, daß sie von einer Keule stammt. Ist ja auch schlüssig. Man fand Keulen. Einer sah wohl wie ein Baseballschläger aus. Abgesehen davon, daß ein Keulenhieb meist seitlich und schräg ausgeführt wird. Es gibt aber auch Steine. Man kann sie sogar auf Fundbildern erkennen. Einige sind auffallend rund.
Was wirklich interessant ist. Dieser Kampf wirkt insgesamt sehr geführt. Es gibt das, was ich kombinierte Waffen nenne. Es gibt ganz klar eine Fernwaffenwirkung. Das spricht für mich ebenfalls für Schleudern. Bögen wurden sehr häufig mit Schleudern kombiniert. Bis auf Australien passierte das nahezu überall auf der Welt zu unterschiedlichster Zeit.“
Neues aus der Scheibenwelt
Die Himmelsscheibe von Nebra soll aus der Eisenzeit sein? Dies regen Rupert Gebhard und Rüdiger Krause in Ihrem Artikel „Kritische Anmerkungen zum Fundkomplex der sog. Himmelsscheibe von Nebra“ für die Deutsche Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte e. V. (DGUF) an. Das liest sich alles sehr amüsant und auch den Hinweis, dass die Himmelsscheibe wohl eher als Einzelfund zu betrachten wäre, könnte man diskutieren. Wie die zwei Herren aber auf die Eisenzeit kommen, wirkt am Ende doch sehr von den Sternen herunter geholt: „Vielmehr würde – wenn die Herkunft vom Mittelberg gesichert wäre – eine Datierung auch im Kontext der eisenzeitlichen Befestigung wie auch durch die Ikonographie naheliegen. Damit würde die bislang
vorlegte Interpretation und das daraus abgeleitete Konstrukt ihrer Bedeutung und Funktion jeglicher Grundlagen entbehren.“ Pardon, das überzeugt mich nicht!
Berechtigt ist die Kritik in anderer Hinsicht durchaus: „Die derzeit gewählte Terminologie mit Bezeichnungen wie „Königreiche“, „Armeen“ oder „erster Staat“ hat längst die realen Grundlagen archäologisch-kulturgeschichtlicher Forschungen verlassen.“ Darüber sollte in Halle ruhig einmal nachgedacht werden, ob man in manche Hinsicht die archäologische Werbetrommel nicht etwas zu reißerisch angeschlagen hat.
Den ganzen Artikel können Sie hier nachlesen.
Natürlich gibt es dazu inzwischen eine Erwiderung des Landesamtes für Archäologie Sachsen-Anhalt. Diese ist relativ kurz ausgefallen und verweist auf bislang erschienene Veröffentlichungen. Die Datierung der Himmelsscheibe in die Eisenzeit wird kurz und bündig abgetan: „Zusätzlich stellt Pernicka fest: »Analysen von keltischen [eisenzeitlichen] Kupferlegierungen zeigen ganz andere Zusammensetzungen sowohl der Hauptbestandteile als auch der Spurenelemente und Bleiisotopenverhältnisse«. Damit scheidet auch aus metallurgischer Sicht eine Datierung der Himmelsscheibe in die Eisenzeit klar aus.“
Die Erwiderung aus Halle finden Sie hier.
Franckesche Stiftungen: Im Steinbruch der Zeit
An diesem Sonntag, 20. Sept. 2020, eröffnet in den Franckeschen Stiftungen, der Schulstadt in Halle (Saale), eine neue Jahresausstellung. In Halle dreht sich eine Menge um die Zeit. Schon im letzten Jahr war dies Thema in der Leopoldina, der Nationalakademie der Wissenschaften, die in Halle ihren Sitz hat. Dort hieß es: „Die Zeit ist eine Urerfahrung des Menschen, gleichzeitig bleibt sie ein Mysterium. Sie spielt in unserem Alltag und in fast allen wissenschaftlichen Fachdisziplinen eine Rolle.“ Selbstverständlich ist das auch in der Archäologie so. So wollen die Archäologen hierzulande auf dem 13. Mitteldeutscher Archäologentag „Zeit ist Macht. Wer macht Zeit?“ diskutieren. Ob dabei auch die umstrittene Neudatierung der Himmelsscheibe zur Sprache kommt. Wir dürfen gespannt sein. Die Franckeschen Stiftungen dagegen begeben sich in den Steinbruch der Zeit und meinen damit die die Entdeckung der Erdzeit. Es wird also um Geologie gehen und wie sich das verstärkte Interesse daran in den Sammlungen niederschlug. Dazu schreiben die Franckeschen Stiftungen: „Die kulturhistorischen Sammlungen vor Ort, die Bibliothek der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina – Nationale Akademie der Wissenschaften, die Universitäts- und Landesbibliothek der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und das Archiv und die Bibliothek der Franckeschen Stiftungen, spiegeln das breite Interesse an geologischen Phänomenen sowie an der Entdeckung der Geschichte der Erde. Ihre Schätze illustrieren erstmals in einer Ausstellung die Geburt der Geologie als Wissenschaft.“
Den Besuchern wird ein „emotionaler und spannend inszenierter Ausstellungsrundgang“ von der Vorgeschichte der Geologie über die Entstehung der modernen Geowissenschaften im 19. Jahrhundert mit einem Exkurs zur Gegenwart versprochen. Die Ausstellung soll das Publikum nicht ohne einen wissenschaftlich fundierten Blick auf das Anthropozän, in dem erstmals der Mensch die geologische Formation der Erde einschneidend verändert, entlassen. Wir dürfen gespannt sein.
»Im Steinbruch der Zeit. Erdgeschichten und die Anfänge der Geologie«
20. September 2020 – 21. März 2021
Jahresausstellung im Historischen Waisenhaus
Franckesche Stiftungen | Franckeplatz 1 | 06110 Halle
Informationen und Begleitprogramm
Tel 0345-21 27 450 | www.francke-halle.de
Eintritt 6 Euro, erm. 4 Euro, Kinder bis 18 Jahre frei