Museumsbesuch

Das Planetarium von Eise Eisinga

Diese Woche wird es einen weiteren Museumsbesuch geben. Das behandelte Museum befaßt sich allerdings nicht mit unserem bevorzugten Zeitraum, dem Mittelalter, es ist auch keine Ausgrabungsstätte und es geht auch nicht um einen berühmten Menschen (in seiner Zeit). Und da das Wunderwerk und sein Schöpfer, über die wir in dieser Woche hier im Ottonenzeitblog schreiben, in Deutschland kam bekannt sind, fanden wir es eine gute Idee, Werk, Schöpfer und Museum einmal vorzustellen:

Ein Mann mit einem Hobby und das Ende aller Zeiten

Dabei schlagen wir heute den Bogen von Gerbert von Aurillac im 10. Jhd., dem Papst, der sich mit Hilfe eines Astrolabium mit Astronomie beschäftigte, zum Wollkämmer Eise Eisinga aus Friesland im 18. Jahrhundert. Ihm ist heute im niederländischen Franeker ein Museum über ganze drei Häuser gewidmet, dessen Hauptbestandteil ein Planetarium ist, welches Eisinga in seiner Freizeit erbaute. D.h. Eise Eisinga, friesischer Wollkämmer aus Franecker, hatte ein genauso außergewöhnliches Hobby wie wir, wenn wir Geschichte nachempfinden und rekonstruieren. Eisingas Hobbies aber waren aber die Mathematik und Astronomie. Diese halfen ihm auch seine Mitbürger zu überzeugen, als diese aufgrund des dichten Zusammenstehens der Planeten Merkur, Venus, Mars und Jupiter und unseres Mondes an das Ende aller Zeiten glaubten, was sogenannte „Propheten“ noch anheizten. Aus diesem Ansinnen entstand im Wohnzimmer von Eisingas Haus das älteste noch funktionierende Planetarium der Welt. Ich glaube aber, ihm machten die Berechnungen und der Bau eines mechanischen Planetarium auch so viel Spaß, dass wir dieses Motiv nicht außer Acht lassen dürfen. Allerdings durften Männer seines Schlages in den protestantischen Niederlanden nicht viel Spaß haben. Er baute das Planetarium trotzdem. Wer aber war Eise Einsinga?

Eise Eisinga kam am 21. Februar 1744 in Dronrijp (nahe Franeker, Friesland) zur Welt, besuchte dort auch die Grundschule und arbeitete nebenbei in der Wollkämmerei seines Vaters. Einmal in der Woche durfte er in die kleine Universitätsstadt Franeker gehen, wo er zusammen mit dem Wollfärber Wijtses die Mathematikbücher von Euklid studierte. Bis er sich 1768 in Franeker als Wollkämmer niederließ, schrieb er 4 Bücher zur Mathematik und Astronomie (Das erste Buch bestehend aus Rechenaufgaben mit 15 Jahren.) Zur Niederlassung als Wollkämmer gehörte auch eine Familie, diese gründete er zusammen mit Pietje Jacobs, die er mit 24 Jahren heiratete. Falls aber gedacht wird, er würde über der Astronomie seinen Beruf vernachlässigen, ist dies falsch: Eisinga war inzwischen Wollkämmermeister und erhielt 1820 sogar einen internationalen Preis für das Färben seiner Wollen. Ich wette, einige meiner Hobbyfärber würden gerne einen Blick in sein Musterbuch werfen.

Das Planetensystem im Wohnzimmer

Das Planetarium von Eise Eisinga, mit dem der Wollkämmer seine Mitbürger überzeugen wollte, dass das Ende aller Zeiten doch noch nicht gekommen war, ist ein mechanisches Wunderwerk, das bis heute funktioniert. Maßstabsgerecht (1 Mill. Kilometer entsprechen 1 mm im Modell) bewegen sich dort die Planeten anschaulich auf ihren Bahnen um die Sonne. Daneben werden Sonnenauf- und Untergangszeiten, die Sonnenbahn (über Franeker), das Jahr, der aktuelle Sternenhimmel und die Mondphasen dargestellt. Natürlich gibt es auch einen Datumsanzeiger und die Position des Mondes im Tierkreis wird gleichfalls dargestellt. Und bestimmt habe ich noch etwas vergessen. Betrieben wird all dies von einem Uhrwerk unter dem Dachboden und dies ist das einzige, was Eisinga nicht gebaut hatte. Die geniale Mechanik, die das Planetarium am Laufen hält, ist allein sein Werk. Fertiggestellt wurde das Planetarium bereits 1781. Auch die Wissenschaftler der damals noch bestehenden Universität Franeker waren voller Hochachtung bei der Besichtigung. Andere Wissenschaftler wurden auf das Werk aufmerksam. Er wurde sogar eingeladen, Gastvorlesungen an der Universität zu halten. Das war eine große Ehre für einen Mann, der, wir erinnern uns, nur die Grundschule besucht hatte, und quasi schon als Kind im Erwerbsleben gestanden hatte.

Frau Pietje ist nicht einverstanden!

Was hielt nun seine Frau Pietje von der Planetariumsbastelei? Für das geplante Pendel, das sich zu lang erwies, hätte der am Ende des Wohnzimmers befindliche Schlafalkoven mit einem Schlitz ausgestattet werden müssen. Das ging der guten Ehefrau, die schon den Umbau des gesamten Wohnzimmers verkraften mußte, zu weit. Eisinga mußte sein Pendel um 25 cm verkürzen, alle Zahnräder mußten neu berechnet werden, damit die Funktion des Planetarium wieder gewährleistet wird. Aber die Mühe war dies wert: Der häusliche Friede war wieder hergestellt.

Natürlich ist die Darstellung von Eisinga inzwischen historisch. Denn das Planetarium bildet den Wissenstand über die Planeten des 18. Jahrhundert ab. Zwei Monate, nachdem Eisinga das Modell 1781 vollendet hatte, wurde Uranus entdeckt. Inzwischen wissen wir auch noch von Neptun und dem Kleinsplaneten Pluto. Aber hätte Eisinga diese Planeten auch noch aufnehmen mögen, hätte er sein Wohnzimmer beim gewählten Maßstab fünfundzwanzigmal vergrößern müssen. Und ob da Frau Pietje mitgespielt hätte?!

Eisinga im Exil

Ende des 18. Jahrhunderts waren diee Niederlande und damit auch Friesland in Unruhe. Die Bewegung der Patrioten wandte sich gegen die Vorherrschaft des „Statthalter“ genannten Herrschers aus dem Haus Oranien. Zu seiner Unterstützung besetzten die Preußen das Land mit einer Armee von 25 000 Soldaten und setzten die Oranier wieder ein. Da Eisinga Mitglied des Rates von Franeker war, blieb ihm 1787 wie vielen anderen Patrioten nur die Flucht. Er mußte Frau und Kinder zurücklassen und floh nach Gronau in Deutschland. In Briefen schrieb er von dem Plan dort ein weiteres Planetarium zu bauen. Dazu kam es jedoch nie. Der Tod seiner ersten Frau Pietje 1788, mit der er drei Kinder hatte, war ein schwerer Schlag für Eisinga. Er heiratete 1792 erneut und hatte mit Trijntje Eelkes Sikkema weitere drei Kinder. Erst die Besetzung der Niederlande durch die Franzosen zusammen mit der batavischen Legion aus Patrioten 1795 ermöglichte eine Rückkehr Eisingas nach Franeker. Aber erst 1796 erhielt er sein Wohnhaus zurück und konnte das Planetarium wieder instand setzen. 1825 kaufte der König der Niederlande, Wilhelm I., das Planetarium für eine große Summe Geld dem Wollkämmer ab, so begeistert war der Monarch vom Planetarium. Es gab aber eine Bedingung: Eisinga durfte weiterhin im Haus wohnen, das Planetarium warten und es Besuchern zeigen. Dafür erhielt er obendrein ein ansehnliches Gehalt.

1828 verließ Eisinga unsere Welt im Alter von 84 Jahren. Er war ein vorausschauender Mann gewesen und hatte schriftlich, illustriert mit Zeichnungen, seinen Kindern genau beschrieben, wie das Planetarium zu betreiben und zu warten war. Und tatsächlich kümmerten sich seine Nachkommen bis 1922 um das Planetarium. Seine Aufzeichnungen helfen den Konservatoren und ihren Mitarbeitern bis heute beim Betrieb der Mechanik.

Das Museum

Nach dem Ausscheiden der Familie Eisinga aus der Verwaltung des Planetariums, berief der Stadtrat von Franeker die Konservatoren für den Weiterbetrieb. Aber erst 1990 wurde das Planetarium um die ehemalige Werkstatt erweitert. 1997 erfolgte eine grundlegende Restaurierung. „Königlich“ darf sich das Planetarium ab 2006 nennen. 2008 kam ein weiteres Gebäude zum Museum dazu und 2016 wurde dem Museum gar ein drittes Gebäude angeschlossen. Die Besucher können in einem neugestalteten Eingangsbereich begrüßt werden, der dennoch dem Museum nichts von dem Charme eines Planetariums des 18. Jhds. genommen hat.

Können wir einen Museumsbesuch empfehlen? Aber natürlich! Selbst wenn es nur das von Eisinga geschaffene Planetarium gäbe, wäre diese Wunderwerk einen Umweg oder Tagesausflug wert. Neben diesem „Hauptausstellungstück“ gibt es im Haus eine bemerkenswerte Sammlung astronomischer Instrumente, darunter natürlich auch ein Astrolabium (s. Gerbert v. Aurillac), es gibt astronomische Uhren, weitere kleine und große Planetarien. Einen besonderen Reiz bieten die Handschriften von Eisinga, hier sind auch Blicke (über Touchscreen) in seine Anleitung zum Betrieb und der Wartung des Planetariums möglich. Eine interaktive Ausstellung bietet viel Raum für Spielereien um das Thema Planeten, Weltraum und die Astronomie. Es gibt auch interaktive Quizfragen, um zu testen, ob der Museumsbesuch im Kopf angekommen ist. Am Ende bedankt sich Eise Eisinga persönlich bei Ihnen für den Besuch. Wie? Das wird nicht verraten.

Der momentane Preis von 6 Euro bietet zudem ein gutes Preisleistungsverhältnis. Das Museumscafé ist zudem augesprochen charmant. Nicht verpassen! Wir wurden jedenfalls sehr verwöhnt und das wünschen wir allen Besuchern.

To. Kreutzfeldt, Fotos: To. Kreutzfeldt, Dr. Annette Kreutzfeldt

Literatur, Quellen, Links:

  • Grundlage für den Artikel war ein Museumsbesuch am 7. Okt. 2019
  • Broschüre „Königlich Eise Eisinga Planetarium“, Franeker, ohne Jahresangabe, 31 S.: Abb.
  • Mak, Geert (u. Helmut Schmidt, Richard v. Weizsäcker Hrsg.): Niederlande, München, 2010, 251, S.: Abb.

Museumsseite auf Deutsch

Virtueller Spaziergang im Museum.

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