In einer alten Synagoge
So ein bißchen habe ich es immer für eine sephardische Legende gehalten: Es sollen die Familien nach der Vertreibung aus Spanien (1492) die Schlüssel ihrer Häuser behalten und sie über Generationen als Memoria weitergegeben haben. Jetzt habe ich im Museum acb (Call Association of Barcelona) diesen Schlüssel entdeckt (Bild links). Es ist zwar nicht der Schlüssel einer sephardischen Familie, sondern einfach ein alter Schlüssel, den man als Ausstellungsstück genommen hat, aber erzählt wird genau diese Geschichte. Neben Hörensagen habe ich davon im Buch „Sefarad“ von Antonio Muñoz Molina gelesen, das hat mich stark beeindruckt. Dies sind offenbar keine Einzelbeispiele, und nicht nur von Toledo und Barcelona wird über die „Schlüsselgeschichte“ berichtet, sondern es genügt eine oberflächliche Internetrecherche um weitere Beispiele aufzufinden: So blieb auch der Schlüssel der letzten Synagoge von Zamora in León in den Händen der sephardischen Familie Casim, die 1492 über den Hafen Barcelona die spanischen Königreiche in Richtung Syrien verließ. Die ganze Geschichte erzählt der mexikanische Wissenschaftler Carlos Zarur einer Zeitung in Zamora, hier nachzulesen … Wer des Spanischen nicht mächtig ist, dem kann ich noch zusätzlich zum Eingangssatz berichten, dass der Schlüssel zwar ein Familienerbstück der Casims ist, der ganz aus Sepharad (Spanien) stammt, aber von dem nicht ganz sicher ist, ob es sich um einen Hausschlüssel oder eben um den Schlüssel einer vergessenen Synagoge handelt. Der Historiker Jesús Jambrina stellte die Hypothese auf, dass dieses Familienerbstück zur Synagoge von Zamora gehörig sein könnte. Aber das muß nicht so sein.
Kehren wir nach Barcelona zurück. Zum Aufstieg Barcelonas vom Grafensitz bis zur großen Handelsstadt und Hauptstadt von Aragón-Catalunya trug auch die jüdische Bevölkerung der Stadt
maßgeblich mit bei. Während aber in Kastilien die Vertreibung der jüdischen Bevölkerung erst 1492 mit der Vertreibung ihren großen Höhepunkt erreichte, war in Barcelona bereits mit dem Progrom 1391 Schluss. Obwohl Juden und Christen so lange Zeit friedlich zusammengelebt hatten, wurde der alte und der neue Call, die Judenviertel von Barcelona, angegriffen und 300 Einwohner kamen zu Tode. Die übrigen mußten zum Christentum übertreten oder falls es Ihnen noch möglich gewesen war, fliehen. Zwar lebten auch noch weiterhin Juden in der Stadt, aber in kaum noch nenneswerter Anzahl oder als Konvertiten. Die alten Synagoge im Call wurde seitdem nicht mehr benutzt. Seit 1996 bemühte sich die Call Association of Barcelona um die Renovierung der alten Synagoge im Viertel und inzwischen wird diese auch wieder als Gotteshaus benutzt. Besonders berührt hat mich die Hochzeit eines canadischen Paares, die erste seit mehr als 600 Jahren, hier nachzulesen … Dazu muß man wissen, dass der Hass von Franco auf Mitglieder der jüdischen Religion fast genauso groß war wie der seines großen Vorbildes Hitler. So war es erst nach der Diktatur möglich, dass wieder etwas jüdisches Leben in das Call eingezogen ist. In einer Zeit, in der immer mehr Hass auf andere Religion zu einer Art Modedroge wird, ist dies für mich ein starkes Hoffnungsszeichen. Neben der acb, kümmert sich übrigens auch eine Nebenstelle des Städtischen Museums um die Aufarbeitung der jüdischen Geschichte im Call. Zudem kann man auf einem mit Hinweistafeln ausgestatteten Rundgang durch die jüdischen Viertel spazieren. Am Ende noch ein engl.-sprachiges Video zur Geschichte des Juden in Barcelona.
Euer Isidorus
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