Küche

Die fast vergessene Ackerbohne

In dieser Woche wird es um Ernährung gehen und dabei im Besonderen um „eine fast vergessene Kulturpflanze“, wie das Julius Kühn-Institut schreibt. Wir thematisieren die Ackerbohne oder Saubohne oder dicke Bohne, deren Namen aus einer Zeit stammen, als wir sie fast nur noch als Futterpflanze kannten. Der korrekte lateinische Name lautet Vicia faba. Damit gehört die Ackerbohne zur Gattung der Wicken (Vicia). Noch im Mittelalter war die Vicia faba als Bohne bekannt. Wir möchten im Folgenden aber die Bezeichnung Ackerbohne beibehalten, um eine Verwechslung mit den amerikanischen Bohnenarten zu vermeiden.

In der Ottonenzeit und Lebendige Geschichte e.V. beschäftigen wir uns seit fast fast 20 Jahren mit mittelalterliche Geschichte, Archäologie und Geschichtsdarstellungen. Wir haben dementsprechend auch unsere Ernährung auf Veranstaltungen (aber nicht nur) der Darstellung angepasst. Wir sehr wir dabei dennoch von unseren neuzeitlichen Gewohnheiten begrenzt werden, lässt sich sehr gut am Beispiel der Ackerbohne zeigen. Selten wurde diese in unserer „mittelalterlichen Küche“ verwendet, dabei ist sie doch die ursprüngliche Bohne von der Antike bis zum Spätmittelalter. Alle anderen in der heutigen Ernährung verwendeten Bohnenarten (Gartenbohnen) stammen aus Amerika und gehören zur Gattung Phaseolus. (Früchte der Erde, i. Folgenden: FdE, S. 107). Bei den Azteken rangierten die Phaseolus-Bohnen als Tributgut Nr. 2 gleich nach dem Mais und können archäologisch bis 5000 v. Chr. nachgewiesen werden (FdE, S. 98). Selbst so mittelalterlich anmutende Gerichte wie die aus der iberischen Region Asturien stammende „Fabada“ (Nationalgericht der Asturer) wird heute mit einer asturischen Züchtung der Phaseolus-Bohne, aus „fabes de la Granja“, die ihren Ursprung im Ort Granja hat, zubereitet (Fabada Rezept s.u.). Auch hier ist der Name „faba“ von der ursprünglich verwendeten Ackerbohne auf die eingewanderte und weitergezüchtete Phaseolus-Art übergesprungen.

Ackerbohnenpflanzen, abgeerntet

Die Ackerbohne existiert heute als reine Kulturpflanze. Wildformen sind nicht bekannt. Nur Vermutungen deuten auf die östlich des Mittelmeeres verbreitete Vicia pliniana als Stammpflanze hin. Als Ausgangsorte für die Verbreitung der Ackerbohne wird das südliche Mittelasien und der östliche Mittelmeerraum vermutet. Dort ist auch der Ursprungsort der Kultivierung der Ackerbohne anzusiedeln. Älteste Ackerbohnensamenfunde stammen aus dem Neolithikum (heutiges Israel, 6800 und 6500 v. Chr.). Auch bei den Ausgrabungen in Troja konnten Ackerbohnen nachgewiesen werden. In Europa ist die Ackerbohne seit der Bronzezeit vorhanden. Die größere Form der Ackerbohne, die auf unseren Fotos abgebildete Puffbohne, existiert erst seit der Spätantike/Frühmittelalter. (Julius Kühn-Institut: Die Ackerbohne, i.F. :JKI, FdE S. 107).

Genügsame und nahrhafte Bohne für das Mittelalter

Für das Mittelalter ist die Ackerbohne für den gesamten Zeitraum belegt. Da sie geringe Ansprüche an Boden und Klima stellt und zudem mit hohen Nährwert aufwarten kann (Eiweiß 25 – 33 %, Kohlenhydratgehalt ca. 50 % (FdE S. 107), wurde sie zu einem wichtigen Lebensmittel für die breite Bevölkerung. Sogar im höfischen Umwelt läßt sich die Bohne nachweisen, wie ein unten aufgeführtes catalanischen Rezept beweist. Angebaut wurde sie auf dem Feld und in Bauern- und Stadtgärten. Ein Hinweis auf den Anbau gerade in Gärten gibt die Erwähnung im Capitulare de villis (Karls des Großen) . Anne Schulz bringt ein, dass sich Hülzenfrüchte wie Ackerbohnen und Erbsen gut trocknen ließen und damit gut als Vorrat dienen konnten. Nicht von ungefähr wurden die Ackerbohnen in Marschlandgebieten angebaut, da sich die Pflanze auch auf salzhaltigen Böden oder vorher überfluteten Landflächen gut kultivieren ließ (JKI, Beate Stein S.4,5). So weist auch das altsächsische Feddersen Wierde (1. bis 5 Jhd. n.Chr.) weist die Ackerbohne im Fundgut auf (Wikipedia). Auch in Südeuropa und Arabien stand die Ackerbohne auf dem Speiseplan, darauf deuten die Rezepte im „Bevorzugte Düfte und Aromen für das Bankett“ (Syrien 13. Jhd.) hin und Isidra Maranges kann für die catalanische Küche des Mittelalters behaupten: „Es war die bekannteste und am häufigsten konsumierteste Hülsenfrucht“ (Maranges S. 291, Übers. TK). Auch im Garten und in der Küche von Luthers Frau Katharina von Bora spielte die Bohne eine Rolle. Das kann noch nicht die Gartenbohne gewesen sein. (Heling: Zu Gast bei Luther S. 42).

Die gesamte Literatur betont also die wichtige Rolle der Ackerbohne im Mittelalter. Lediglich das Lexikon des Mittelalters stellt fest, dass Hülsenfrüchte wie die Ackerbohne nur eine untergeordnete Rolle in der Ernährung des Mittelalters gespielt haben dürfen. (LdM Bd. V., S. 186.) Das Gegenteil dürfte richtiger sein.

Ab an die Kochstelle!

Wie ist die Ackerbohne zubereitet worden? Obwohl kaum Rezepte aus dem Früh- bzw. Hochmittelalter im deutschen Raum erhalten sind, müssen wir nicht mutmaßen wie in „Früchte der Erde“, dort wird über „Bohnenbrei aus Vicia Fabia“ als „eines der Hauptgerichte unserer Vorfahren“ spekuliert (FdE, S. 106). Einen ersten Hinweis gibt der Anthimusbrief (5./6. Jhd. n. Chr.), dort werden die Ackerbohnen „unzerteilt, gut gekocht in einer Brühe oder in Öl mit Soße oder Salz“ zubereitet (zitiert nach Kitchenguide, 2016).

Ackerbohnen ungeschält

Vom 10. bis 13. Jahrhundert waren die Araber die einzigsten, die Kochbücher schrieben (Scents and Flavors, S. XXiX.), und so befinden sich im „Bevorzugte Düfte und Aromen für das Bankett“ (Syrien 13. Jhd.) auch eine Handvoll Rezepte für die Vicia Faba, obwohl Araber und Juden als Semiten unter Favismus leiden können. Hier werden 5 Rezepte aufgeführt, eins davon allerdings für die Seifenherstellung (Scents and Flavors, Seiten 99, 249 u. 259). Letzteres Rezept erwähnt Mehl aus der Ackerbohne, welches sicherlich nicht nur für die Seiferei benutzt worden ist. (s. o. Bohnenbrei) Isidra Maranges ergänzt die arabischen Rezepte mit einem catalanischen Gericht aus der Mitte des 14. Jahrhunderts. Hier bekommt die Bohne einen königlichen Anstrich und wird in Mandelmilch zubereitet. Aufführen könnte man auch die oben erwähnte Fabada aus Asturien. Persönlich erfolgte der Zugang zur Ackerbohne nicht über das mittelalterliche Kochen, sondern über die spanische Landküche, wobei das unten aufgeführte Rezept auch mit Erbsen möglich ist. Beide letztgenannten Beispiele sind nicht durch mittelalterliche Quellen belegt.

(siehe unten Rezepte)

Die Bohnensamen vor der Zubereitung

Der Anbau im Garten

Die Ackerbohne ist ein unkompliziertes Gemüse und leicht anzubauen, so unsere Erfahrung. Meine Schwiegermutter sprach etwas spöttisch von „Anfängergemüse“. Wir haben im März die Samen in kleinen Töpfchen im Gewächshaus vorkeimen lassen und danach die kleinen Pflänzchen auf unseren kleinen Experimentiergarten am Saaleufer ausgepflanzt. Es ist aber auch eine Freilandaussaat ab März möglich. Im Gegensatz zu den „zickigen“ Erbsen brauchen die Ackerbohnen keine Ranghilfen, nur etwas Haltehilfe bei stürmischen Wetter (gespannte Schnur reichte aus). Obwohl die Erde am Saaleufer im Schatten des alten Gutshauses nicht die beste ist, wurden die Bohnenpflanzen sowohl im Hochbeet wie Freiland sehr kräftig und brachten mit riesigen Hülsen die Nachbarn zum Staunen. Schädlinge gibt es bei den A.-Bohnen natürlich auch: „Der ärgste Feind der Ackerbohne ist die schwarze Bohnenblattlaus Aphis fabae. Im Hausgarten kann dagegen Farnkrautbrühe eingesetzt werden.“ (JKI) Das erste Bohnengericht gab es übrigens bereits zu Mittsommer: Nach dem Kochen wurden die A.-Bohnen mit Knoblauch in Butter gebraten, dazu gab Kartoffelsalat mit selbstgemachter Mayonnaise und Räucherlachs. Dieses Gericht ist natürlich keinesfalls mittelalterlich!

Vorsicht Favismus!

A-Bohnen sind für die meisten Menschen ohne Nebenwirkung eßbar. Bei 7,5 % der Weltbevölkerung kann Favismus ein Genuss der A.-Bohnen unmöglich machen. Das Julius Kühn-Institut warnt: „Das führt u.a. beim Verzehr von Ackerbohnen zur Auflösung von roten Blutkörperchen (Hämolyse) und kann zu einer Blutarmut (Anämie) führen. Die Betroffenen leiden dann unter Bauchschmerzen, Durchfall, Erbrechen, Haut- und Schleimhautblutungen, Schüttelfrost und Fieber.“

Favismus ist die häufigste Enzym-Krankheit des Menschen, betroffene Personen tragen ein krankhaft verändertes G6PD-Gen in sich. Das betrifft Schwarzafrikaner, Afroamerikaner, Menschen aus dem Mittelmeeraum (Italiener (bes. Sarden) und Griechen), sefardische Juden und Araber, aber auch Thailänder, Chinesen und Inder. Allerdings kommt es nur bei jeden vierten betroffenen Menschen zu ernsten Symptomen. (Wikipedia, JKI)

Rezepte:

  1. Arabische Rezepte (mittelalterlich belegt, 10. – 13. Jhd.):
    1. Rabi´iyyah, ein sehr bekanntes Gericht: Es sollte eine große Menge Thymian und Brühe darin sein. Ein unübliche Version des Rezeptes benutzt frische Pistazien statt den Ackerbohnen (ggf. für Menschen mit Favismus, im arabischen Raum möglich, TK). Thymian und Brühe sollten in Fett gebraten mit Knoblauch, Korianderblättern, Zwiebeln und scharfen Gewürzen (leider sagt das Rezept nicht welche, möglich sind nur damals bekannte Gewürze, TK) werden. Geschälte Bohnen (oder Pistazien) hinzufügen und braten, bis sie gar sind. Wenn gewollt, können Eier darauf gegart werden. Falls trockene Pistazien benutzt worden sind, kann das Gericht grün werden.
Der arabische Text des oben aufgeführten Gerichtes

Die folgenden Bohnenrezepte sind kleine Gerichte zu einem arabischen Bankett zugehörig, evt. vergleichbar mit Tapas oder Meze:

  1. Die Bohnen schälen und kochen. Tue Jogurt, Knoblauch und Olivenöl mit getrockneten Thymian dazu. Du kannst auch Essig statt Joghurt benutzen, aber dann schmeckt es nicht so gut.
  2. Nehme die Bohnen, koche sie, entferne ihre erste Schale. Beträufle mit Öl und trockenen Thymian.
  3. Koche die Bohnen wie zuvor und füge Öl und scharfen Essig dazu.
  4. Faves reiales (mittelalterlich 14. Jhd., catalanisch): „Königliche Bohnen“-Zutaten: Ackerbohnen, Ziegen- oder Mandelmilch, Rohrzucker, Salz, Zimt, Rosenwasser. Bohnen schälen und in frischen Wasser kochen. Wenn sie gekocht sind, nehmen Sie die Bohnen vom Feuer und lassen sie abtropfen bis kein Wasser mehr übrig ist. Danach kochen Sie sie in der Mandelmilch. Dann fügen Sie Zucker und Salz hinzu. Mit einem Löffel zerdrücken (modern evt. mit Schneebesen) und ständig durchrühren bis alles durchgegart ist. Kurz bevor Sie mit dem Kochen fertig sind, fügen Sie zwei Stücke ganzen Zimt und ein wenig Rosenwasser hinzu. In Schalen servieren und mit zerpuderten Zucker bestreuen.
  5. Fabada Asturiana (mittelalterliche Herkunft ungewiss): 750 g asturische Bohnen oder Ackerbohnen, 3 Würste (Chorizo), 3 Blutwurst, 1 Streifen Speck, 1 Stück Schinken, 1 Zwiebel, 1 Knoblauchzehe, Safranfäden. Zubereitung: Trockene Bohnen über Nacht in kaltem Wasser einweichen. Ggf. Ackerbohnen frisch verwenden. Am nächsten Tag legen Sie sie in eine mit kaltem Wasser bedeckte Pfanne und erhitzen Sie die Bohnen. Wenn sie anfangen zu kochen, Schaum entfernen. Fügen Sie dann die Wurst, das Fleisch, die Zwiebel und den Knoblauch hinzu. Wenn sie wieder kochen, senken Sie die Hitze und lassen Sie sie langsam vor sich hin köcheln. Achten Sie darauf, dass sie immer mit Wasser bedeckt sind, damit sie nicht brechen. Ggf. kaltes Wasser hinzufügen. Der Safran wird geröstet und nach der Hälfte des Garvorgangs hinzugefügt. Mit Salz abschmecken und sanft kochen. Stellen sie die Hitze ab und lassen Sie das Gericht vor dem Servieren eine Weile ruhen. Entfernen Sie die Wurst und das Fleisch und schneiden Sie sie in Stücke. Die Bohnen, Wurst und Fleisch werden in eine Terrine gefüllt und alles zusammen serviert. Dazu Brot.
  6. Eier mit Bohnen (Huevos de la casa con fabes, Volksküche): Zutaten: Ackerbohnen für etwa zwei Personen, vier Eier, Knoblauch, Salz, Speck oder Wurst, Olivenöl, Gewürze nach Geschmack. Zubereitung: Ackerbohnen etwa 10 Min. leicht kochen. In einer Pfanne Knoblauch und Speck oder Wurst (Chorizo) anbraten. Angebratenen Knoblauch und Speck/Wurst herausnehmen und beiseite legen. Im heißen Öl Eier als Spiegeleier braten, salzen. Bohnen, Knoblauch und Wurst rund um die Spiegeleier drapieren. Ggf. mit Thymian oder Gewürzen nach Wunsch würzen. Servieren. Dazu Brot.

Text und Fotos: Torsten Kreutzfeldt

Quellen und Literatur:

  • Die Ackerbohne (Vicia Faba): Eine fast vergessene Kulturpflanze, Julius Kühn-Institut, Braunschweig, 2011.
  • „La Faba de Asturias“ auf https://www.bedri.es/Asturias/Gastronomia/La_faba.htm, Stand Juli 2020.
  • Fabada Asturiana auf http://faba-asturiana.org/, Stand 2020.
  • Früchte der Erde, Leipzig, 3. Aufl. 1989.
  • Heling, Antje: Zu Haus bei Martin Luther. Ein alltagsgeschichtlicher Rundgang. Wittenberg, 2003.
  • Kitchenguide des Lebendige Geschichte e.V., Halle, 2016.
  • Lexikon des Mittelalters, München, 2002.
  • Maranges, Isidra: La Cuina catalana medieval, un festí per als sents, Barcelona 2. Aufl. 2016.
  • Scents and flavors: A syrian cookbook, ed. a. transl. By C. Perry, New York, 2017.
  • Schulz, Anne: Essen und Trinken im Mittelalter (1000 – 1300), Berlin, 2011.
  • Stein, Beate: Hafer und Hering: Ernährung bei den Wikingern, 2009.
  • Wikipedia-Artikel Die Ackerbohne, Feddersen Wieh, Favismus, Stand Juli 2020.

Schreibe einen Kommentar