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Ein Europäisches Hansemuseum ?

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An einem Septembersamstag waren wir im neueröffneten (am 30. Mai 2015) Europäischen Hansemuseum in Lübeck. Als wir die Ausstellung verlassen hatten und uns ganz dumm stellten, uns fragten, was haben wir über die Hanse erfahren, kam am Ende nicht viel raus. Es kam viel zu wenig dabei heraus, ging uns durch den Sinn. An den netten und stets hilfsbereiten Mitarbeitern lag es nicht, auch nicht am nie zuvor erlebten elektronischen Informationssystem, bei dem der Besucher mit Hilfe seiner Eintrittskarte ein Vielzahl von elektronischen Tafeln, Kopfhörer etc. aktivieren kann ggf. sogar mit Informationen zur eigenen persönlichen Hansestadt (Halle war allerdings nicht dabei!, aber daran haben wir unsere Enttäuschung nicht fest gemacht). Auch das Gebäude oder die Zweiteilung der Ausstellung haben wir nicht als störend empfunden.

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Das neue Museumsgebäude in Lübeck bietet wunderbare Hanseeindrücke, aber viel zu wenig Information

Welche Erwartungen haben wir an ein Geschichtsmuseum?

Lag es also an unserer Erwartungshaltung? Was erwarten wir von einem Geschichtsmuseum? Das erwarten wir: Einen historischen roten Faden selbstverständlich, z.B: Was war die Hanse eigentlich? Was machte sie aus? Wie verlief ihre Geschichte? Wir erwarten eine ansprechende und spannende Aufbereitung von Geschichte, ggf. sogar die Gegenüberstellung mehrerer Blickwinkel (fast genial gelöst im Museum der Schlacht von Culloden, Schottland). Wir erwarten die Präsentation von ausgewählten Exponaten und selbstverständlich den neuesten Forschungsstand und nicht nur Schulwissen. Damit kann auch eine Kontroverse verbunden sein. Wir erwarten Alltagsgeschichte und nicht nur Ereignisgeschichte. Und wir gehen davon aus, das muss heute selbstverständlich sein, dass die Rolle der Frau (hier in der Hanse) aufgearbeitet ist und präsentiert wird. War unsere Erwartungshaltung falsch?

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Ambiente … (mit dem Schiff nach Nowgorod)

Mit dem Fahrstuhl hinab in die Welt der Hanse

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(Tuchhandel in Brügge) …. statt Information bietet das Europäische Hansemuseum

Mit den Fahrstuhl wird man mit einer großen Gruppe anderer Besucher hinab in die Welt der Hanse gefahren, genial sind die Ausgrabungsergebnisse an der ehemaligen Burg/Kloster präsentiert. Aber schon bei der ersten Übersichtskarte der Frühgeschichte Lübecks mußte ich unfreiwillig anderen Besuchern Hilfestellung anbieten, die nicht über die Ortskenntnis und die Vorkenntnisse über die Ausgrabungen von Altlübeck wie ein UrLübecker verfügten. (Oder wie ein UrLübecker, der sich für Archäologie interessiert, könnte man sagen.) „Eigentlich sollte sich so eine Karte selbst erklären“, meinte dann auch der Besucher seufzend. Die weitere Konzeption des Museums ist rasch erklärt: Einer großartigen und mit viel Raum ausgestatteten Inszenierung, in der Geschichte körperlich und sinnlich erfahrbar gemacht wird (neben dem Personal und dem Info-System ein riesiger Pluspunkt), dazu mit Erklärungen auf elektronischen Schautafeln und durch Hörbeispiele ausgestattet, folgt ein Raum mit Expornaten und Schautafeln im klass. Museumstil. Der Gegensatz ist so krass, dass einem die sicher gediegenen Museumsvitrinen fast schäbig vorkommen. Auch ist die Raumaufteilung zwischen den beiden wiederkehrenden Abschnitten extrem: Im Erlebnisraum extremer Platz  mit relativ wenig Information, in der Vertiefungs- und Vitrinenabteilung wiederum qualvolle Enge und ausführlichste Vertiefungsinformationen. Es ist ein heiß und kalt, ein hin und her, bei dem die Hanse als Großes und Ganzes irgendwie auf der Strecke bleibt. Da halfen auch die didaktischen Überblicksinformationen bei jeder neuen hanseatischen Erlebniswelt gar nichts. Das wirkte so hilflos wie der klassische gehobene Zeigefinger des Oberlehrers.

Unschärfe bei der Informationsvermittlung

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Beispiel 1: Tuchnadeln sind Nähnadeln?
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Nur Bier und Fleisch im Mittelalter? Hülsenfrüchte erst ab 1251?

Bei manchen Inszenierungen in den Erlebnisräumen fragen wir uns, was uns der „Künstler damit sagen möchte“: So z.B. die „Horrortür“ im Abschnitt „Bauen im Mittelalter“. Die hätte doch eher in eins dieser Foltermuseen als in ein Hansemuseen gepaßt. Und wo wir gerade beim Foltern sind. Wo sind eigentlich die Piraten geblieben, die verfluchten? Krieg hat die Hanse auch nur am Rande geführt, will uns scheinen, dabei sind mit den „Kriegen der Hanse“ ganze Bücher gefüllt worden. Gut, jeder setzt seine Schwerpunkte wie er mag, meinethalben auch nach einer Chaostheorie, die sich selbst dem Besucher mit einigen Vorkenntnissen nicht erschließt.  Aber richtig genervt hat die Unschärfe der Informationen in den Erlebnisräumen. Zwei Beispiele haben wir stellvertretend mitgebracht, damit klar wird, was wir meinen (siehe Bilder). Eine Besucherin schnaufte: „Na, da haben sie wohl die Praktikanten dran gesetzt!“

Hansemuseum, wohin gehst du?
Hansemuseum, wohin gehst du?

Unser Fazit

Das Museum hat einen Eintrittspreis, der deutlich über 10 Euro hinausgeht. Dafür wird eine hanseatische Erlebniswelt, die zu begeistern weiß, geboten. Mehrsprachigkeit ist bei vielen Schautafeln gewährleistet (Deutsch, Englisch, Russ. und Schwedisch).  Einen historischen roten Faden haben wir nicht entdecken können. Es wird eine Menge Information über den Hansealltag geboten (Wunderschön und erlebbar!). Ereignisgeschichte spielt kaum eine Rolle oder ist in kleinsten Details (Erlebniswelt Hansetag) zerlegt nicht mehr nachvollziehbar. Eine Rolle der Frau im hanseatischen Alltag wird nicht thematisiert. Der Erlebnischarakter des Museums wird überstrapaziert, auf der Strecke bleibt die Information. Aktuelle Forschungsergebnisse? Einiges war uns wirklich neu, aber dies wurde durch die Unschärfe der Information an anderer Stelle wieder zunichte gemacht. Wir wußten nicht so recht, ob wir dem noch trauen konnten. Das Hanse-Labor brachte auch nur Museumsausstellung und Vertiefung. Uns wurde nicht so recht klar, was dieses Anhängsel sollte, außer die Chance, dort etwas Rezeptionsgeschichte unterzubringen. Ein Punkt, der bei unseren Anforderungen an ein Museum oben nicht auftauchte (auftauchen mußte). Auch Reenactment haben wir oben nicht aufgeführt. Das ist in der deutschen Museumslandschaft ohnehin nicht eingeplant. (Seufz!) Die Präsentation der Exponate war ausreichend bis hervorragend. Geschichte ist spannend und lebendig erzählt. Unser Favorit war die „Händler- und Brügge-Erlebniswelt“. Dort hätten wir sofort einkaufen können. Leider war es am Ende zu wenig Geschichte und zu wenige Geschichten.

Wir sind wieder am Beginn dieser Kritik (nennen wir es ruhig so). Du kommst raus und was hast Du über die Hanse erfahren? – Äääh?! – Genau! – Schade. Doch immerhin wissen wir nun, dass die Straßen in Lübeck im Mittelalter sauber waren, dank fürsorglichen Straßenbau (im Museum im Detail erläutert). Das ist doch was!

Euer Isidorus

Link zum Hansemuseum

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